Es ist ein politisch ungeheuerlicher Vorgang und ein Angriff auf die Demokratie, wenn politische Entscheidungsträger sich juristisch nicht in der Lage sehen, bei einer solch wichtigen Entscheidung wie der Privatisierung des Klinikums ihre Bürger zu befragen. Diejenigen, die am Donnerstag gegen das Bürgerbegehren stimmen, sollten sich in Zukunft nicht mehr wundern, warum die Bürger den Kommunalwahlen in hoher Anzahl fernbleiben und dadurch die Legitimation der Kommunalpolitik weiter sinkt. Es grenzt an Heuchelei, wenn in einigen Wahlprogrammen der Offenbacher Parteien von mehr Bürgernähe und direkter Demokratie gesprochen wird und dann, wenn es um die Umsetzung geht, gekniffen wird.
Mit großem Erstaunen ist festzustellen, dass die Landesregierung am Universitätsklinikum Marburg-Gießen darauf verzichtet, eine fällige Vertragsstrafe von über 100 Millionen EUR juristisch durchzusetzen. Gleichzeitig wird das dortige Klinikum trotz Privatisierung weiter mit zweistelligen Millionenbeträgen durch den Steuerzahler jährlich subventioniert. Mit Millionen von Steuergeldern will die Landesregierung offensichtlich ihr gescheitertes Privatisierungsprojekt kaschieren.
Es ist unerklärlich, wie einerseits der Kostendeckungsvorschlag des Offenbacher Bürgerbegehrens rechtlich unzulässig sein soll und gleichzeitig die Landesregierung an anderer Stelle genau diesen Weg der Unterstützung beschreitet. Es stellt sich die Frage, warum nicht auch das Offenbacher Klinikum in den nächsten Jahren mit jährlichen Millionenzuwendungen von der Landesregierung unterstützt wird, um es in kommunaler Trägerschaft zu halten, so wie es der Kostendeckungsvorschlag vorsieht?
Dieser Vorgang zeigt erneut: Wenn der politische Wille da wäre, könnte das Offenbacher Klinikum in kommunaler Trägerschaft erhalten werden. Dass sich vermutlich die Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung hinter einer vermeintlichen rechtlichen Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens versteckt ist deshalb feige. Insbesondere SPD und Grüne machen sich zu willfährigen Gehilfen der konservativen Landesregierung und ihrer verfehlten Landes- und Gesundheitspolitik.
Die politische Verantwortung für die durch den Verkauf entstehende schlechtere Gesundheitsversorgung, die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, die Erhöhung des Arbeitsdrucks und der weitere Arbeitsplatzabbau liegt bei den politischen Gegnern des Bürgerbegehrens. Ganz zu schweigen von den drohenden finanziellen Auswirkungen für die Stadt in dreistelliger Millionenhöhe durch die beim Verkauf fälligen kommunal verbürgten Kredite des Klinikums.
Wir wissen, dass diese Auseinandersetzung um den Verkauf des Klinikums sehr wahrscheinlich parlamentarisch verloren ist. Wenn allerdings die Stadtverordneten schon eine solche einmalige Entscheidung treffen und damit die Demokratie in Offenbach mit Füßen treten, dann sollen sie das unter den Augen so vieler Bürger wie möglich machen. Wir raten allen Offenbachern am kommenden Donnerstag, ihr Recht als Zuschauer an der Teilnahme der Stadtverordnetenversammlung wahrzunehmen um damit deutlich zu machen, dass nicht alle Bürger mit der absehbaren Entscheidung einverstanden sind.