Multiversum – Freie Kunst und Kultur erhalten

Antrag 2016-21/DS-I(A)0174 DIE LINKE. und JO vom 27.02.2017

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

Der Magistrat wird damit beauftragt, bis 31. März ein Konzept vorzulegen, um den Kulturraum „multiversum“, unter Verwaltung des „Tretlager e.V.“, innenstadtnah zu erhalten.

Dabei ist zu beachten, dass

  1. der neue Raum im finanziellen Rahmen des Projektes liegen soll.
  2. die Möglichkeit zum Bespielen im künstlerischen, gesellschaftlichen und politischen Rahmen gewährleistet wird.
  3. eine zeitnahe Lösung bis Ende April gefunden werden muss.

Begründung:

Begründung zur Dringlichkeit:  Das multiversum veröffentlichte am 18.02.2017 (Antragsfrist:16.02.2017 12:00Uhr) folgende Mitteilung:

„Am Samstagabend, dem 11. Februar 2017 hat das Multiversumsplenum von der Vermieterin der Liegenschaft Bieberer Straße 13 die Kündigung des Mietverhältnisses  erhalten. Somit müssen wir, das Projekt Multiversum, das Gebäude zum 30. April 2017 verlassen.

Ein Blick zurück, ins Jetzt und in die ungewisse Zukunft.

Die Idee des Multiversums ist älter als das Multiversum selbst. Anderthalb Jahre raumlose Vorarbeit fruchteten am 1. September 2015, als wir als Gruppe nicht nur einen Raum, sondern gleich ein ganzes Gebäude mit unseren Ideen füllen konnten: Die Bieberer Straße 13, direkt am Wilhelmsplatz. Von Anfang an stand fest, dass es nur eine Zwischenlösung sein würde – erst 2, dann 4, und zuletzt so viele Monate aneinander gereiht, dass wir diesen Aspekt fast erfolgreich in unserer Arbeit verdrängt haben. Verdrängt durch unzählige Veranstaltungen, Lesungen, Konzerte, Barabende, „Küche für Alle“, Vernissagen, Plena, aber vor allem im Abhängen, […], Streiten, Lieben, Diskutieren, Lernen, Knutschen, Ermahnen, Zuhören, Schmieden, Pflanzen, Bauen, Träumen – und dass alles in unserem eigenen gemeinsamen Wohnzimmer. Für uns, und für viele, viele andere Menschen, die wir vielleicht gar nicht alle namentlich kennen. Doch nun ist es soweit: Ab 1. Mai wird die Bieberer Straße 13 wieder das sein, was sie vor uns war: ein trostloses leeres Haus voller Erinnerungen(…).“

Was ist das „multiversum“?

Hinter diesem Namen verbirgt sich ein Projekt, das schon seit Anfang 2014 in Offenbach aktiv ist und seit September 2015 die Bieberer Straße 13 gemietet hat, wo endlich sämtliche Ideen Wirklichkeit werden konnten und auch andere  Initiativen in der Stadt Platz gefunden haben. Obwohl eine Kündigung von Beginn an im Raum stand, da das Haus nur zur Zwischenmiete zur Verfügung stand, kommt der so baldige Abriss des Hauses dennoch sehr unerwartet. Deshalb benötigt das Projekt dringend neue Räumlichkeiten, auch um zukünftigen Initiativen in der Stadt einen Raum bieten zu können. Die multiversums-Crew, das ist eine Gruppe von derzeit 15-20 Menschen, die eine Idee verbindet: einen Raum für gegenseitigen Austausch, Kultur und Freizeit in Offenbach zu schaffen. Als ein Ort des kulturellen Austausches finden hier unter anderem Kunstausstellungen, demokratisch-emanzipatorische Diskussionsveranstaltungen, Filmvorführungen und Lesungen statt. Vor allem aber soll das multiversum einen Raum darstellen, in dem man sich wohlfühlt und miteinander Zeit verbringt. Das Angebot ist außerdem darauf ausgerichtet, sowohl inhaltlich als auch zeitlich die bestehende Infrastruktur Offenbachs zu ergänzen und keine Konkurrenz für Einrichtungen mit der gleichen Zielsetzung zu sein.

Neben dem gemeinnützigen Trägerverein „Tretlager e.V.“ ist ein weiteres Merkmal, dass alle Entscheidungen im multiversum in einem öffentlichen, konsensorientierten Plenum getroffen werden, das einmal die Woche tagt. Hier werden anstehende Fragen unter Anhörung jeder Meinung und möglichst ohne hierarchischen Druck diskutiert und Entscheidungen gemeinsam getroffen. Zudem versteht sich das multiversum als eine offene Gruppe. Interessierte, die im Rahmen des Konzeptes am Projekt teilnehmen möchten oder sich einfach informieren wollen, sind jederzeit eingeladen, zur öffentlichen Plenumssitzung zu kommen. So soll auch ein beständiger Zufluss neuer Ideen in das Projekt sichergestellt werden.

Das multiversum erhielt im Januar 2017, als eine_r von drei Gewinner_innen den Ehrenamtspreis des Jugendhilfeausschusses in der Kategorie “Regelmäßige Gruppenangebote, Veranstaltungen”. Bereits im Vorjahr wurde das Projekt mit dem “Preis der Kulturstiftung der Städtischen Sparkasse Offenbach” ausgezeichnet. Die Kulturstiftung der Städtischen Sparkasse Offenbach am Main förderte das Projekt „Multiversum“ seit November 2015 mit Mitteln, die in erster Linie dem Erhalt der zurzeit gemieteten Räumlichkeiten in der Bieberer Straße 13 zugutekamen. Dank der Unterstützung der Kulturstiftung konnte eine dringend nötige Investition in die Heizung des Hauses verwirklicht werden.

Ausstellungen

Das multiversum macht es sich zum Ziel, besonders jungen Künstler*innen einen Raum zu bieten, in dem sie mit einem breitgefächerten Publikum in Diskurs treten können. Ausstellen darf grundsätzlich jede Person, die mit ihrer Arbeit in Einklang mit der kulturellen  Ausrichtung des multiversums steht und die besonderen Gegebenheiten des Raumes nutzen möchte. Gezeigt werden künstlerische und angewandte Arbeiten verschiedener Disziplinen (Zweidimensionales, Installationen, Video, Performance, Materialstudien, usw.), während in den restlichen Räumen das übliche Programm, wie Lesungen und Diskussionsrunden, stattfindet. Das Plenum des multiversums wünscht sich von den etwa monatlich wechselnden Ausstellungen die kritische Beleuchtung eines Themas von mehreren Seiten. Beispielsweise können mehrere Künstler*innen gemeinsam zu einem Thema ausstellen.

Ausgestellt wird nicht, wie in Museen für zeitgenössische Kunst üblich, in einem so genannten ‚White Cube‘, sondern in den verschiedenen Räumen des Hauses. Gestaltet werden kann so beispielsweise auch eine gesamte Wand, die Decke oder der Boden. Die Künstler*innen sind sogar konkret dazu eingeladen, einen kleinen Teil ihrer ausgestellten Werke im multiversum zu lassen, um das Haus längerfristig mitzugestalten. So wurden bereits ein Bodenbild, ein großformatiges Graffiti, mehrere eingerahmte Fotos, Gemälde und Collagen und ganze gestaltete Räume dem multiversum zur weiteren Nutzung überlassen

Das multiversum unterstützt die Idee, dass Kunst nicht nur auf der Leinwand und in Museen stattfindet.

Veranstaltungen

Das multiversum ist ein Ort, an dem Lesungen, Vorträge und Diskussionen einen physischen und ideellen Raum finden. Dieser Raum soll dabei offen und ungezwungen genutzt werden können, indem die klassische Trennung zwischen den Veranstaltenden und den Konsumierenden aufgehoben wird. Alle, die das multiversum betreten, können das Geschehen mitgestalten und mitplanen. Auch bespielt das Plenum die Räumlichkeiten nicht völlig alleine; gerade die Zusammenarbeit und Mitnutzung der Liegenschaft durch lokale Kunst-, Kultur-, Migrations- und Bildungsvereine beleben das Projekt. Diese sind einerseits Teil des wöchentlichen Plenums, andererseits können sie bestimmte Räume (Küche, Plenumsraum, Kino) auch autark nutzen.

Dabei gibt es keinen vorgegeben thematischen Schwerpunkt: ob politisch-emanzipatorisch, transdisziplinär-wissenschaftlich oder auch mal humoristisch-witzig. So werden beispielsweise gesellschaftlich aktuelle Themen wie städtische Entwicklung, Queer-Feminismus oder soziale Marktwirtschaft beleuchtet; aber auch Poetry-Slams, Filmreihen, Roman-, Gedichts- und Krimilesungen finden häufiger statt. Zudem ist das Medium frei wählbar – Dokumentationen, selbstgedrehte Filme, Workshops, Podiumsdiskussionen, Lesungen oder Vorträge, Infografiken und usw. können im multiversum Platz finden! Das multiversum will mit seinem Raum freie Bildung für verschiedenste gesellschaftliche Gruppen zugänglich machen und so einen Ort schaffen, um sich mit dem Bestehenden auseinandersetzen zu können. Das kulturelle Programm wird durch ein- bis zweimal im Monat stattfindende Feiern oder anderweitige größere Veranstaltungen ergänzt. Hierbei steht das kollektive Erleben, das miteinander Spaß haben im Vordergrund, nicht der Konsum. Derartige Angebote ziehen neben dem üblichen Publikum auch Menschen an, die sich vielleicht sonst weniger mit Kunst oder kulturellen Inhalten auseinandersetzen.