Rede der Fraktionsvorsitzenden Elke Kreiss
Endlich wird das Nordend zur Sozialen Stadt. Das hält Die LINKE. für eine gute Sache. Was uns in diesem Antrag aber eindeutig zu kurz kommt, ist das Soziale. Der Antrag nennt viele grüne Maßnahmen: Förderung der Biodiversität, Ausbau der Fahrradinfrastruktur, Umgestaltung von Block-Innenbereichen und Vorgärten.
Das sind wichtige und richtige Maßnahmen. Aber das Grüne Ringnetz wollten wir doch später beschließen, oder?
Einige soziale Maßnahmen sind ja dabei: Der Ausbau der Spielplätze beispielsweise – sehr gut, denn das kinderreiche Nordend braucht dringend mehr Spielflächen. Und auch der Umbau der öffentlichen Plätze darf als soziale Maßnahme gelten. Das sind alles gute Sachen und es ist wichtig, dass wir die dafür dringend notwendigen Fördergelder erhalten. Deshalb wird unsere Fraktion dem Ursprungsantrag auch zustimmen.
Aber in diesem Antrag finden wir keine einzige Maßnahme zum Schutz der Sozialstruktur im Nordend.
Wir wissen doch alle, dass es im Nordend mittlerweile einen enormen Aufwertungsdruck aus dem Hafen gibt. Wer zweifelt, kann gerne einen Blick in das Integrierte Städtebauliche Entwicklungskonzept werfen – dort steht: „Die Neubauentwicklungen im hochpreisigen Segment, rund um den Offenbacher Hafen können sich sowohl kurz- als auch mittelfristig preistreibend auf das Nordend auswirken.“ Dieser Aufwertungsdruck geht mit der Verdrängung der Bevölkerung einher.
Und jetzt werten wir den Stadtteil zusätzlich mit Fördergeldern auf und erhöhen den Druck weiter. Zur Wahrheit gehört auch: Das Nordend hätte sich gar nicht für das HEGISS qualifiziert, hätte man den Hafen nicht künstlich aus dem Programmgebiet herausgehalten.
Wenn wir nichts gegen die Verdrängung tun, kommt die Soziale Stadt nicht mehr bei denen an, für die sie gedacht ist. Hier stellt sich wieder die Frage nach dem politischen Willen in unserer Stadt.
Im ISEK selbst werden die diversen Risiken der Entwicklung des Nordends genannt – ich zitiere:
„Mit dem Attraktivitätsgewinn des Nordends können die Wohnkosten für alteingesessene und finanziell schwächere Bewohnerinnen und Bewohner zu einer Belastung werden.“
Ok, das hört sich schon mal nicht so gut an. Aber es geht sogar noch weiter:
„Rein renditegetriebene Investoren können das Preisniveau unverhältnismäßig steigern und haben nicht zwangsläufig ein Interesse, Geld in sanierungsbedürftige Immobilien zu investieren.“
Deutliche Worte. Und zu guter Letzt kommt dann noch die Segregation ins Spiel: „Neue Wohnbauprojekte, die sich exklusiv an ein bestimmtes Mieterklientel richten, können eine Segregationswirkung innerhalb des Nordends hervorrufen.“
Alles keine rosigen Aussichten. Doch: Wie wird diesen Risiken mit dem vorliegenden Antrag begegnet? Meines Erachtens gar nicht. Im ISEK selbst wird wenigstens noch die Immobilienmarktbeobachtung als eine Maßnahme vorgeschlagen. Die Priorität wird jedoch als „niedrig“ angegeben.
Wir würden da eine andere Priorität setzen. Der Magistrat allerdings auch, denn er hat die Maßnahme gar nicht in sein Konzept aufgenommen. Im Ausschuss wurde das damit begründet, dass die Bürgerbeteiligung keinen besonderen Bedarf ergeben hat.
Auch das ist verwunderlich, denn im März letzten Jahres haben die beiden Projektleiter die Immobilienmarktbeobachtung in der Pres-se als eine von zwei besonders wichtigen Handlungsempfehlungen bezeichnet. Auch in der Online-Beteiligung hat sie ein besseres Ergebnis erzielt als beispielsweise der Erhalt der Nutzungsmischung, der ja trotzdem noch Teil des Konzepts ist.
Aber die bloße Beobachtung des Immobilienmarktes allein reicht nicht aus: Wir müssen handeln.
Und hier kommt unser Ergänzungsantrag ins Spiel. Wir wollen eine Milieuschutzsatzung für das Offenbacher Nordend. Eine Milieuschutzsatzung würde Luxussanierungen unter Genehmigungsvorbehalt stellen. So könnten wir die übertriebene Mietpreissteigerung einzelner Wohnungen durch die Umlage dieser Sanierungen auf die Mieterinnen unterbinden.
Instandhaltung und Herstellung zeitgemäßer Ausstattung wären davon natürlich nicht betroffen. Außerdem könnten wir mit dem Milieuschutz ein städtisches Vorkaufsrecht für alle Grundstücke einführen, auf denen Wohngebäude stehen.
Die GBO könnte dann die entsprechenden Wohngebäude kaufen, bevor sie an die im ISEK erwähnten „renditegetriebenen Investoren“ gehen. Das hieße Handlungsfähigkeit auf dem Wohnungsmarkt und Schutz der Sozialstruktur. Wo es einen politischen Willen gibt, gibt es auch einen Weg.
In Frankfurt gibt es bereits 15 Gebiete in denen der Milieuschutz gilt. Die Frankfurter Verhältnisse sind längst in Offenbach angekommen. In den letzten zehn Jahren sind die Mietpreise in ganz Offenbach um mehr als ein Drittel gestiegen. Das trifft die Menschen am härtesten, die ohnehin schon benachteiligt sind.
Frau Schmid von der Beratungsstelle von Frauen helfen Frauen hat jüngst in der Offenbach Post gesagt: „Die Stadtentwicklung geht zulasten derjenigen, die aus einer Gefährdungssituation zu uns kommen“.
Es wäre schön, wenn der Magistrat das endlich auch so sieht. Wir müssen die gefährdeten Bewohnerinnen durch eine ausgewogene Stadtentwicklung schützen. Milieuschutz ist die Antwort.
Wir müssen den Wohnungsmarkt endlich effektiv regulieren. Wir müssen anfangen, Politik für die gesamte Offenbacher Bevölkerung zu machen und nicht nur für einkommensstarke Schichten, die noch gar nicht hier wohnen.
Ich bitte um die Zustimmung zu unserem Ergänzungsantrag.
Vielen Dank.
Es gilt das gesprochene Wort.